Deutschland – geliebtes Vaterland

Die „Unbehausten“ sind die, die „hausen“ werden. Oder wie es Simone Weil sagt: „Wer entwurzelt ist, entwurzelt.“ Wer kein mentales, kulturelles Zuhause hat, ist frei, so frei, dass er Amok laufen könnte. Oder noch einmal anders: Wer sich mental-kulturell atomisiert, läuft Gefahr, diese Atomisierung immer weiter zu treiben und auf andere zu übertragen.

Wie war’s denn früher zum Nationalfeiertag, der in der DDR der „Tag der Republik“ war? Viele Leute hängten Fahnen aus dem Fenster. Nicht die Mehrheit, aber doch viele: Schwarz-rot-goldene Fahnen mit DDR-Emblem und die „rote Fahne der Arbeiterklasse“. Heute? Nichts! Nicht einmal die Fahne der EU.

Jeder ist bei uns heute auf sich selbst zurückgeworfen, jeder hat seine individuellen Wurzeln. Das ist genug, das muss reichen. Damit entfällt immer mehr der Zusammenhalt, das Zusammengehörigkeitsgefühl. Soll der „freie Westen“ mit seiner Demokratie die Klammer sein, die uns Deutsche zusammenhält? Dieser „Westen“ wird in Polen, in Ungarn, der Slowakei, in Italien und auch in Frankreich aber ganz anders definiert als bei uns.

Diese Länder – und andere – haben immer noch sich selbst als Nation, das ist dort ein Boden, der noch Halt gibt, auch und in erster Linie „Zusammenhalt“. Wer in anderen Nationen persönlich scheitert, dem bleibt immer noch ein Trost: Aber ich bin ein stolzer Italiener / Pole / Franzose; ich habe ein Vaterland, in dem ich geborgen bin. Ein Deutscher kann sich höchstens damit trösten, dass er ein stolzer Europäer oder Erdenbürger ist. (Die progressiven Deutschen denken groß, international, mit [nationalen] Kleinigkeiten geben sie sich nicht zufrieden.) 

Der „freie Westen“ in den deutschen Farben – das geht unseren Eliten schon zu weit. Kein Wunder, dass man zum Nationalfeiertag auf den deutschen Straßen keine deutschen Farben sieht. „Deutschland zuerst!“ – das wäre genauso logisch wie dass jedes Individuum im Laufe seiner Persönlichkeitsentwicklung lernen muss, sich zuerst selbst zu lieben. Nur wer das kann, hat die Kraft, die Energie und die Lockerheit, auch den anderen zu lieben. Robert Betz weist in seinen Vorträgen und Seminaren immer wieder darauf hin: Liebe muss scheitern, wenn ein Individuum selbst „leer“ bleibt und nicht bereit ist, sich selbst zu lieben, sondern die einzige Lösung darin sieht, sich mit der Liebe eines anderen „aufzufüllen“.

Eine Ausnahme gilt: Ein neugeborenes Kind kann sich nicht von vornherein selbst lieben. Es braucht zuerst die bedingungslose Liebe seiner Eltern. Nur so kann es sich im Laufe seiner ersten Lebensjahre Schritt für Schritt immer mehr selbst mit der Energie der Liebe aufladen, bis ein Grundzustand erreicht ist, aus dem heraus es dann später selbst Liebe für sich „zapfen“ kann. Strahlt es diese Energie aus, findet es „zwischendurch“ neben seinen Eltern auch immer wieder neue und andere „Seelen“, von denen es Liebe bekommen kann.

Eigene, innere Stärke führt also zu noch mehr Stärke ganz nach der biblischen Devise: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“ – da, wo schon viel ist, soll noch mehr hinzukommen. Wer ängstlich bleibt, wer sich nicht selbst vertraut, dem soll auch noch das letzte Bisschen genommen werden. „Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.“ Die Moral der Geschicht: Wer sich nicht traut, mit seinen eigenen, inneren Fähigkeiten zu „wuchern“, wer sie gar nicht wahrnimmt, weil er kein Selbstvertrauen hat, sondern nur auf das angesagte Fremde schaut, hat nicht nur keinen Lohn verdient, sondern auch keine Gnade. So unbarmherzig kann der gnädige Gott sein. 

Seelenstärkung geht also am besten zwischen Seelen, die nicht ausgelaugt sind, sondern über eine Würde des Eigenen verfügen, über einen urgründigen Stolz auf sich selbst. Ich vermute, dass das auch schon für Neugeborene, für ganz junge und kleine Kinder zutrifft. Wer erst einmal einen gefüllten Hintergrund an Gedanken hat, der kann auch durch die schlichte Beobachtung so etwas erkennen:

Ich sah einen Mann, der mir von vornherein unsympathisch war, irgendwie grobkantig und zottelig. Im Fahrradanhänger saß ein kleiner Junge, ich schätze noch nicht 2 Jahre alt, der irgendein Problem hatte und quengelte. Der Mann, ich vermute, der Vater, hielt an und schrie den kleinen Jungen an, stieg wieder auf und fuhr weiter. Das „Baby“ war nun außer sich vor Wut, und der Fahrradanhänger wackelte hin und her, während der Mann fuhr. Das war für mich ein kaum zu ertragendes Bild abgrundtiefen Jammers. Die Wut des Kindes kam aus seinem verletzten Stolz, gar nicht ernst genommen worden zu sein, sondern nur beschimpft und schlecht gemacht zu werden. So sehe ich das jedenfalls. 

Da ist also von vornherein in den Menschen schon ein Stück eigene Würde. Vielleicht hatte der Kleine auch eine Mama, die ihn mit ihrer Liebe gestärkt, ihm bereits ein Gefühl des Stolzes auf sich selbst gegeben hatte. Ist Deutschland so eine „neugeborene“ Nation, die noch nicht viel Fremdliebe erhaschen konnte, die sich noch nicht aus sich selbst heraus lieben kann und die sich deswegen an ihre „US-Mama“ hängen muss /1/, so wie das Olaf Scholz auf eine peinliche Weise zelebriert? (Da bin ich ja mal gespannt, wie unsere deutschen Eliten diese ihre nationale Unterwürfigkeit weiter pflegen wollen, wenn Trump der neue US-Präsident werden sollte.)  

Der Teufel „scheißt nicht nur auf den größten Haufen“, er steckt auch im Detail: Da trifft sich die Gruppe der Länder, die die Ukraine unterstützen, in Rammstein, auf einer US-amerikanischen Luftwaffenbasis auf deutschen Boden. Hinter den Generälen und Diplomaten sind eine Menge Fahnen, aber nur US-amerikanische und ukrainische, nicht eine einzige deutsche. Wir stellen den US-Amerikanern ja nur unseren Boden zur Verfügung, und wir sind ja nur der zweitgrößte internationale Geldgeber und Waffenlieferant für die Ukraine. Warum sollen wir da als Nation neben den USA und der Ukraine eine Rolle spielen müssen?

Gerade in diesem Fall habe ich nichts dagegen, dass Deutschland keine Rolle spielt. Dann sollte das aber auch durchgängig der Fall sein, sich logisch durchziehen und nicht beim Nichtvorhandensein von Symbolen deutscher Nationalität enden, sondern sich ebenso auf die finanzielle und militärische Unterstützung beziehen. Das wäre dann doch mal konsequent.

Dafür müsste sich Deutschland aber zuerst selbst lieben, und das kann es nicht. Wenn es das nicht lernt, wird es untergehen, so wie ein Mensch, der nicht gelernt hat, sich selbst zu lieben, an seinen Depressionen und (anderen) Psychosen zugrunde geht. Die Deutschen selbst, jedenfalls viele von ihnen, werden Deutschland gar nicht so sehr vermissen. Sie sind ja „weltoffen“. Ein großer Teil von ihnen ist sowieso schon amerikanisiert, kann – zum Beispiel – Begriffe, für die es gute und erprobte deutsche Worte gibt, nur noch auf Englisch ausdrücken.

Sie wundern sich gar nicht mehr, dass die neuen Worte für neue Sachverhalte automatisch immer fremdsprachig, nämlich englischsprachig sein müssen. Sie denken, das sei überall auf der Welt so, wie ein missbrauchtes Kind lange glaubt, das, was sein Vater mit ihm tut, würden alle Väter so machen. Eine Gesellschaft, die es aufgegeben hat, für Neues Worte in der eigenen Sprache zu bilden, ist beim Untergehen. Viele Deutsche, vor allem jüngere, werden „Deutsch“land also keine Träne nachweinen, aber die Vereinten Nationen werden ihren – nach den USA – zweitgrößten Geldgeber schmerzlich vermissen und die EU ihren größten noch mehr (wir zahlen netto mehr als doppelt so viel in den EU-Haushalt ein wie die Franzosen und haben dafür – zum gerechten Ausgleich – sprachlich nur halb so viel zu sagen, obwohl es in der EU anderthalbmal so viele deutschsprachige Muttersprachler gibt wie französischsprachige).

Wir haben’s ja. Die Bedürftigen im eigenen Land sind schon voll versorgt und deswegen wählen sie, ihre Familien und ihre Freunde immer wieder genau die Parteien, die für diese Zustände verantwortlich sind.

Stell‘ dir vor, jemand hat Geburtstag und keinen interessiert es. So geht es Deutschland. Wer doch zur Party kommt, weiß gar nicht, was der Grund der Feier ist: War es Hamburg? Ach so, jetzt fällt es mir wieder ein: Heute feiern wir den Tag der offenen Moschee. 

Wie soll sich jemand, der neu in dieses Land kommt, integrieren, wenn es gar kein Bewusstsein derer, die schon hier sind, von dem gibt, was dieses Land mental und kulturell zusammenhält? Kann er sich also nur in Sachsen, Thüringen, Bayern oder Schleswig-Holstein integrieren, aber nicht in Deutschland. Ein Selbst-Bewusstsein der einzelnen Bundesländer ist ja noch erlaubt, aber keines, das die gesamte deutsche Nation umfasst. 

 

Fußnoten

/1/ Das ist die „Mutter“, der Hauptpartner unter den „demokratischen“ Verbündeten, die/der 1945 Ostpreußen mit Königsberg gegen den zögerlich Widerstand der Briten Stalin zugeschanzt hat, damit der „große Aggressor“ Russland heute von dort aus ganz Europa bedrohen kann. Da muss Deutschland nun natürlich wieder mit ran und Milliarden dafür bezahlen, damit die früher durch die USA gestärkte „russische Gefahr“ wieder gebannt werden kann.

3 Kommentare zu “Deutschland – geliebtes Vaterland”

  1. mit freundlichen grüßen sagt:

    Es ist bedauerlich, wie dieser Text den deutschen Nationalstolz infrage stellt und das Fehlen von nationaler Identität beklagt. Gleichzeitig wird von irgendwelchen „Eliten“ geredet, die wohl das gemeine Volk, bzw. Ihre Gefühle und Einstellungen lenken. Meiner Meinung nach ist das ein irgendwie auf Neid (auf andere „patriotischere“ Nationen) und geschichtlich-kultureller Kurzsichtigkeit basierender Trugschluss. Verschiedene Identitäten und Kulturen können problemlos koexistieren, solange sie sich gegenseitig respektieren und nicht der eine dem anderen vorschreibt, was er zu tun und zu lassen hat. Das ist in meinen Augen das aktuelle Hauptproblem, keine der derzeitigen Gesellschaftlichen Strömungen macht das, im Text oben sieht man ein gutes Beispiel.

    Deutschland hat eine reiche und facettenreiche Geschichte, die auf eine lange Tradition zurückblickt und von zahlreichen Beiträgen zur Weltkultur und Wissenschaft geprägt ist. Die Tatsache, dass sich einige Menschen in Deutschland heute stärker auf ihre individuellen Identitäten konzentrieren, sollte nicht als Negativum betrachtet werden. Vielmehr zeigt es, wie vielfältig und respektvoll Deutschland gegenüber unterschiedlichen kulturellen Hintergründen geworden ist.

    Deutschland hat sich seit den dunklen Tagen der Geschichte in ein Land des Friedens und der Demokratie verwandelt. Der Nationalstolz sollte auf dieser Entwicklung basieren und darauf, dass Deutschland ein weltoffenes und tolerantes Land geworden ist, das sich aktiv für globale Zusammenarbeit und Menschenrechte einsetzt. Die Idee, dass Nationalstolz nur durch das Schwenken von Flaggen und das Betonen nationaler Symbole ausgedrückt werden kann, ist überholt.

    Deutschland hat viel zu bieten, von seiner beeindruckenden Kultur über seine wissenschaftlichen Errungenschaften bis hin zu seiner Rolle in der internationalen Gemeinschaft. Der Fokus auf eine europäische oder globale Identität bedeutet nicht, dass der deutsche Stolz aufgegeben wird. Im Gegenteil, es zeigt die Bereitschaft, Verantwortung auf globaler Ebene zu übernehmen und Brücken zwischen verschiedenen Kulturen und Nationen zu bauen.

    Die Stärke Deutschlands liegt nicht nur in nationalen Symbolen, sondern auch in der Bereitschaft, sich für Frieden, Zusammenarbeit und die Rechte aller Menschen einzusetzen. Der deutsche Nationalstolz sollte auf dieser Basis wachsen und sich weiterentwickeln, anstatt sich auf veraltete Vorstellungen von Identität und Patriotismus zu stützen. Deutschland kann stolz auf seine Vergangenheit und seine Gegenwart sein und gleichzeitig eine Brücke zwischen verschiedenen Kulturen und Nationen bauen.

    Angesichts der aktuellen Herausforderungen in der Welt, wie Kriegen, wirtschaftliche Fehlentwicklungen und ökologischen Problemen, wird eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene immer wichtiger. Deutschland hat die Möglichkeit, eine Vorreiterrolle in diesen Fragen einzunehmen, indem es seine reiche Geschichte und seine global ausgerichtete Identität nutzt. Indem wir auf unsere Werte von Frieden, Toleranz und Zusammenarbeit aufbauen, können wir die aktuellen Probleme gemeinsam angehen und eine bessere Zukunft gestalten, in der sowohl Deutschland als auch die Welt insgesamt davon profitieren.

    Als Schlusswort sei gesagt: die Förderung von Werten und Überzeugungen kann in einer demokratischen Gesellschaft auf konstruktive Weise geschehen. Eine starke nationale Identität und ein Gefühl des Stolzes stehen nicht im Widerspruch zu einer toleranten und vielfältigen Gesellschaft. Wir alle können uns bemühen, eine Brücke zwischen verschiedenen Ansichten und Kulturen zu bauen, anstatt uns ausschließlich auf nationale Symbole zu konzentrieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert